28.06.2024
Unzählige kirchliche Immobilien könnten künftig ungenutzt bleiben oder – schlimmer noch – zu „stranded assets“ werden, beobachtet VdDD-Vorstand Hans-Peter Daub. Ein Kommentar zum Umgang mit kirchlichen Liegenschaften.
Pfarrer Hans-Peter Daub ist Theologischer Vorstand der Dachstiftung Diakonie, Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Dienstgeberverbandes Niedersachsen e.V. (DDN) und VdDD-Vorstandsmitglied.
Die Landeskirchen und Bistümer in Deutschland verfügen gegenwärtig über ca. 45.000 Kirchengebäude, das heißt auf 800 ihrer Mitglieder kommt eine sakrale Liegenschaft. Schwerer zu ermitteln sind die Pfarrhäuser, Gemeindehäuser und Pfarrheime der ca. 23.000 Kirchengemeinden. Aber auch ihre Zahl ist erheblich. Solche groben Schätzungen lassen erahnen, wie viele Liegenschaften schon heute wenig genutzt und künftig kirchlich ungenutzt bleiben werden, weil der Mitgliederschwund anhält. Darum wird in den kirchlichen Körperschaften schon seit langem intensiv über den Umgang mit kirchlichen Immobilien diskutiert. Manche gehen mit Leuchtturmprojekten voran wie etwa der Ev.- Luth. Kirchenkreises Hamburg-West/ Südholstein. Mit der kircheneigenen Organisation „bauwerk“ werden hier Immobilien professionell entwickelt, gebaut und verwaltet. Beispielsweise entsteht rund um St. Trinitatis in Altona ein Quartier, das Platz auch für diakonische Nutzungen bietet.
Kirchliche Liegenschaften bieten viele Potenziale. Beispiel Hamburg: Rund um die Hauptkirche St. Trinitatis in Altona entsteht derzeit ein neues Quartier – mit Platz für eine Kita und Wohnungen nach dem „Housing First“-Ansatz. Foto: Verena Reinke, www.verenareinke.de
Aber an erschreckend vielen Orten geht es immer noch um die Grundlagen eines nachhaltigen Immobilienmanagements: Screening der Liegenschaften und Gebäude, Automatisierung ihrer Verwaltung, erste Konzepte einer Nachnutzung. Beeindruckende Ideen und Fantasien treffen auf langwierige Diskussionen und wenig strategisches Vorgehen bei der Umsetzung. Dabei stehen in der Summe enorme Werte im Raum und auf dem Spiel. Noch kaum gesehen oder gar bewertet ist etwa das Risiko von „stranded assets“ im Zuge der CO2- Bepreisung. Gebäude mit besonders hohen CO2-Emissionen können nicht mehr nachhaltig bewirtschaftet werden und verlieren rapide an Wert.
Warum fällt es trotz allen Drucks so schwer, ins Handeln zu kommen? – Weil Körperschaften öffentlichen Rechts darauf schlicht nicht angelegt sind. Sie können viel und sind in ihrer kirchlichen Gestalt ein hohes Gut für ein demokratisches und bürgerschaftliches Gemeinwesen: die Verwaltung öffentlicher Räume, die Sicherstellung öffentlicher Diskurse, die Freiheit öffentlicher Rede … Aber wirtschaftlich handeln können sie regelhaft nicht. Dafür ist diese Rechtsform nicht geschaffen. Ihre Gremien scheuen das Risiko und müssen das auch, weil nicht Effekt oder Ertrag, sondern die Verlässlichkeit kommunikativer Prozesse ihr Fokus ist.
Das ist anders in den Rechtsformen diakonischer Unternehmen. Was kirchlich oft als Ökonomisierung beklagt wird, ist ihre organisationale Fähigkeit, Ressourcen wirtschaftlich zu nutzen, Risiken zu überschlagen und in ein Verhältnis zu Gemeinwohlerträgen zu setzen. Wie Johann Hinrich Wichern vor 176 Jahren aufgefordert hat, die junge Rechtsform des Vereins zu nutzen, um Kirche für das Volk zu sein, so müssen wir heute sagen: Nutzt die diakonischen Unternehmen, um die anvertrauten Güter auch künftig im Sinn ihrer Bestimmung zu erhalten und weiterzuentwickeln.
Das wird gelingen, wenn sich die verschiedenen Rechtsformen kirchlicher Organisationen miteinander verbinden und belastbare Kooperationen eingehen. Verbindlich und belastbar werden Netzwerke durch Verträge, die wirtschaftlich handlungsfähige Subjekte ins Werk setzen: Projektgesellschaften, die unternehmerisch gesteuert und auf der Seite der diakonischen Unternehmen konsolidiert werden, an denen kirchliche Körperschaften aber mit relevanten Gesellschaftsanteilen beteiligt sind, die sie in die Lage versetzen, die Unternehmenspolitik transparent zu halten und im Sinn der kirchlichen Bestimmung zu beeinflussen.
Dazu brauchen wir zwischen Kirche und unternehmerischer Diakonie einen verlässlichen und regelmäßigen Austausch, bei dem wir gemeinsame Ziele erarbeiten und Kooperation verbindlich machen. Bei einer Klausur von Verantwortlichen aus diakonischen Unternehmen und kirchlichen Gremien in Niedersachsen haben wir letztes Jahr versucht, das gemeinsame Commitment in einem einzelnen Satz zu fassen. Er lautet: „Wir leisten aus den Quellen des christlichen Glaubens (1) erkennbare, (2) bedarfsgerechte und (3) wirksame Beiträge dazu, dass die Menschen in unseren Blickfeldern die Überlebenskrisen unserer Zeit heil durchstehen und selbst in Gemeinschaft mit anderen für eine gute Zukunft aller aktiv Sorge tragen können: Das ist die Wertschöpfung, um die es uns geht.“ Kirchliche Liegenschaften sind anvertraute Güter. Im Umgang mit ihnen entscheidet sich auch die Treue zu unserem kirchlichen Auftrag. Darum: „Nur nicht länger liegen lassen!“
Dieser Text stammt aus dem VdDD-Mitgliedermagazin "diakonie unternehmen" 1/24, das VdDD-Mitgliedern kostenfrei zur Verfügung steht.