POSITION | Gemeinwohl stärken! VdDD-Positionen zur Bundestagswahl 2021

Mit der Bundestagswahl steht auch die Sozial- und Gesundheitspolitik vor einer Neuausrichtung. Weder eine neue Staatsfixierung noch stärkere Privatisierung werden den künftigen Herausforderungen gerecht. Stattdessen sind die gemeinnützigen Unternehmen konsequent zu stärken.

Jamaika, Kenia, Ampel, Schwarz-Grün, Rot-Rot-Grün – fast jedes politische Farbmuster scheint in der kommenden Bundesregierung möglich. Ein schlichtes Weiter so in Gestalt der Großen Koalition ist eher unwahrscheinlich. Die Karten werden neu gemischt – das gilt im Besonderen auch für die Sozial- und Gesundheitspolitik. In den Fokus des Wahlkampfs sind die laufenden Sozialreformen gerückt, die schon lange die Fachdebatten dominieren und nach der Wahl neuen Nachdruck benötigen – die Pflegereform, die Umstrukturierung des Krankenhaussektors, die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes, die Reform der Kinder- und Jugendhilfe.

Hinzu kommen der Druck knapper werdender Kassen und Fragen nach einem weiteren Ausbau oder Rückbau des Sozialstaats. So wichtig der Ideenwettbewerb in diesen Fragen (bis ins Detail) ist, sollte nicht aus dem Blick geraten, dass nach Corona und über den Wahlkampf hinaus weit mehr zur Debatte und zur Entscheidung steht. Grundsätzlich auszutarieren ist das Zusammenspiel zwischen Staat und Sozialwirtschaft. Zu bestimmen sind die großen Linien, die Grundprinzipien, nach denen soziale Dienste zum Wohl der Kundinnen und Kunden geleistet werden.

Als Verband diakonischer Dienstgeber in Deutschland haben wir sieben Positionen formuliert, die in den anstehenden Richtungsdebatten Orientierung bieten können.

1. Gemeinwohl stärken

Wie bereits die Flüchtlingskrise hat die Corona-Pandemie gezeigt, welche Kräfte die Freie Wohlfahrtspflege mobilisieren kann: Bedarfsgerechte Hilfeleistungen, ehrenamtliches Engagement und Solidarität tragen die Gesellschaft durch die großen Krisen. Darauf gilt es aufzubauen. Weder eine stärkere Verstaatlichung („Staat“) des Sozial- und Gesundheitswesens, noch eine stärkere Privatisierung und Renditeorientierung („Markt“) sind geeignete Antworten auf die künftigen Herausforderungen. Um den Zusammenhalt der Gesellschaft zu sichern, ist die tragende Rolle der gemeinnützigen Unternehmen zu bewahren und zu stärken, auch als Korrektiv sozialstaatlichen Handelns.

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2. Qualitätswettbewerb fördern

Jeder Mensch ist einzigartig. Unterschiedliche Prägungen, Voraussetzungen und Erwartungen sind Ausdruck der Vielfalt unserer Gesellschaft. Diese Vielfalt muss sich in den Angeboten des Sozial- und Gesundheitswesens widerspiegeln. Das Wunsch- und Wahlrecht, die systematische Einbeziehung der Betroffenen sowie die Trägervielfalt sind unabdingbare Voraussetzungen, um die Menschenwürde und das Sozialstaatsgebot in der offenen Gesellschaft zu sichern, auch wenn dadurch systemisch höhere Kosten entstehen. Der faire Wettbewerb unter den Anbietern sozialer Leistungen ist so auszugestalten, dass die Qualität der Leistung gefördert wird – nicht ein Kostenunterbietungswettbewerb.

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3. Nachhaltigkeit fördern

Diakonische Unternehmen stehen für nachhaltiges Wirtschaften in umfassendem Sinne. Die Bewahrung der Schöpfung ist ein elementares Anliegen, Familienfreundlichkeit ein zentraler Aspekt. Ob bei der Gebäudeenergieeffizienz, der Beschaffung oder dem Unternehmensfuhrpark – diakonische Unternehmen können einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten.

Um schnellstmöglich klimaneutral zu wirtschaften, braucht es die passenden Rahmenbedingungen (z.B. Bauvorgaben) und Refinanzierungsregelungen.

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4. Innovation möglich machen

Neue gesellschaftliche Herausforderungen und sich verändernde individuelle Hilfebedarfe erfordern immer wieder neue Antworten. Von der KI-gestützten Diagnostik im Krankenhaus, über Online-Vermittlungs- und Beratungsangebote bis hin zu digitalen Bildungsangeboten für Kunden und Mitarbeitende – die Digitalisierung bietet Qualitäts- und Effizienzsteigerungspotenziale, die in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft bei Weitem nicht ausgeschöpft sind. Innovative Sozialunternehmen benötigen kreative Freiräume und verlässliche Budgets für Forschung und Entwicklung, um die Chancen nutzen und sich laufend anpassen zu können.

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5. Weniger Bürokratie, mehr Freiräume

Innovative, passgenaue und individuelle Hilfe-Settings entstehen dort, wo der gemeinnützigen Sozialwirtschaft unternehmerischer Spielraum zugestanden wird. Sozialunternehmen dürfen in ordnungspolitischer Hinsicht nicht zu reinen Erfüllungsgehilfen des Sozialstaats degradiert werden. Bürokratie, die „Lösungen von der Stange“ erzwingt und flexible Anpassung verhindert, ist abzubauen und zu vermeiden. Die Wahrung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts sichert weltanschaulich spezifische Angebote. Das kirchliche Arbeitsrecht bietet Konfliktlösungsmechanismen, die ohne Streik und Aussperrung auskommen.

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6. Soziale Berufe attraktiver machen

Die Qualität sozialer Arbeit steht und fällt mit den Mitarbeitenden. Die Gewinnung und Bindung  von qualifizierten und engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für Sozial- und Gesundheitsberufe ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, zumal der Bedarf nach sozialen Diensten mit der Alterung der Bevölkerung deutlich steigen wird. Die Arbeitsbedingungen sind zu verbessern, um mehr Menschen für die Sozial- und Gesundheitswirtschaft zu gewinnen. Das gilt insbesondere für die Pflege. In den kommenden zehn Jahren werden etwa 500.000 Pflegefachpersonen in Deutschland das Renteneintrittsalter erreichen, und damit rund 40 Prozent der Berufsangehörigen. Diakonische Unternehmen sind bei fairen Bedingungen Vorreiter. Sie zeichnen sich durch ein wertorientiertes Arbeitsklima aus – und im Rahmen des bisher Möglichen durch überdurchschnittliche Vergütungen. 

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7. Vielfalt und Zusammenhalt stärken

Respekt und Anerkennung sind für das Gelingen der offenen Gesellschaft essentiell. Unterschiedliche Prägungen, Anschauungen und Lebensentwürfe sind zu achten. Rechte und Freiheiten gilt es zu bewahren, nicht zuletzt gegen demokratiefeindliche Tendenzen. Zugleich kommt es darauf an, die Zugehörigkeit und den Zusammenhalt zu stärken, insbesondere dort, wo Menschen an den Rand zu geraten drohen.  

Orientiert am christlichen Menschenbild stehen diakonische Unternehmen für Integration und Inklusion. Sie setzen sich für wohnungslose und vereinsamte Menschen genauso ein wie für Geflüchtete und Benachteiligte.

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Hier finden Sie das Positionspapier als pdf-Dokument.