Fast jede sechste Kindertageseinrichtung in Deutschland ist in diakonischer Trägerschaft: Von den 3,9 Millionen Kindern, die eine Tageseinrichtung besuchen, werden 592.000 in evangelisch geprägten Einrichtungen betreut. Die 9.278 diakonischen Kinderkrippen, Kindergärten und Horteinrichtungen zeichnen sich durch eine große Vielfalt aus. Besondere Schwerpunkte liegen auf Inklusion, Integration, Naturpädagogik und die Vermittlung christlicher Werte.
Wo andere Urlaub machen, befindet sich die Kita „Strandläufer“ des CJD: Vor zwei Jahren eröffnete die naturnahe Einrichtung in Zinnowitz auf Usedom. Der Träger und die beteiligte Kirchengemeinde brauchten acht Jahre zur Planung dieses innovativen Projekts. Das Gebäude für die 60 Kinder wurde aus nachwachsenden Rohstoffen errichtet. Kinder einer benachbarten Kita wurden durch Workshops in die Innenraumplanung und die Gestaltung des Außengeländes einbezogen. Das Außengelände bietet verschiedene Zonen: „Wald, Sträucher, Kräuter“ neben „Matsch und Wasser“, „Buddeln und Bauen“ sowie „Spiel und Bewegung“. Auf 2.000 qm finden die Kinder Spielgeräte und Orte zum Balancieren, Klettern, Wippen, Schaukeln und Verstecken. Ein Highlight ist der Naschgarten mit Erdbeerbaum, Säulenäpfeln und Blaugurken. Im benachbarten Kräutergarten duftet es nach Orange und Cola.
Aufgrund der Nähe zu Polen arbeitet die Kita als bilinguale Einrichtung, in der die Kinder Deutsch und Polnisch lernen. Das Projekt wurde mit Fördermitteln der EU, der CJD Kinder- und Jugendstiftung, des Landkreises Vorpommern-Greifswald, der Gemeinde Zinnowitz und der Aktion Mensch realisiert.
Ein naturpädagogisches Konzept verfolgt auch die Kita „Am Karpfenteich“ der Diakonie Nord-Nord-Ost in Schöneberg. Mit nur 21 Kindern findet der Kita-Alltag in familiärer Atmosphäre vorwiegend auf dem rund 2.800 qm großen Außengelände statt. Die meiste Zeit während der zehnstündigen Öffnungszeit halten sich die Kinder draußen auf – außer es regnet in Strömen oder es ist sehr kalt. Selbst die Mahlzeiten werden draußen eingenommen und anschließend auch dort die Zähne geputzt. Ziel des Konzepts ist es, Wissen über Natur und ökologische Zusammenhänge zu vermitteln, einen verantwortungsvollen Umgang mit Lebewesen zu lernen und das „grüne Spielzimmer“ als Teil von Gottes Schöpfung zu entdecken. Das Gelände ist umgeben von Fischteichen, Wanderwegen und Waldplätzen, die bei gemeinsamen Spaziergängen erkundet werden.
Seitdem vor zwölf Jahren die gesetzliche Regelung zur gemeinsamen Förderung von Kindern mit und ohne Behinderung in Kraft trat, gehört Inklusion zum Alltag. Bundesweit erhielten im vergangenen Jahr rund 96.000 Kinder aufgrund mindestens einer Behinderung entsprechende Eingliederungshilfe. Bei den 26 Kindertageseinrichtungen der Rummelsberger Diakonie geht man noch einen Schritt weiter: Vor fünf Jahren wurde ein Fachdienst Inklusion etabliert, der die pädagogischen Fachkräfte unterstützt. Ziel ist es, Kinder mit und ohne Beeinträchtigungen nicht nur gemeinsam zu betreuen, sondern sie gemeinsam zu fördern. Von den rund 1.300 Kindern haben 31 einen (über teilweise langwierige Antragsverfahren festgestellten) besonderen Förderbedarf und erhalten Eingliederungshilfe. Aufgrund persönlicher Krisen, Entwicklungsstörungen oder Verhaltensauffälligkeiten benötigen jedoch weit mehr Kinder über einen kurzen oder längeren Zeitraum intensive Unterstützung und Förderung. Dieses Modell ist in seiner Art einmalig und eine Zusatzleistung des Trägers. Für die Anfragen der pädagogischen Mitarbeitenden steht Diakonin Daniela Bär, Sozialpädagogin und Heilpädagogin, zur Verfügung. Bei Schwierigkeiten in einer Gruppe oder mit einem Kind kann sich das Personal jederzeit an sie wenden. Bär beobachtet zunächst die Situation und reflektiert anschließend mit dem Team vor Ort. Darüber hinaus bietet sie fachliche Hilfestellung: Was braucht das Kind? Ist eine diagnostische Abklärung nötig? Wie beraten wir die Eltern? Auch auf anderer Ebene erhalten die Mitarbeitenden durch die Diakonin Stärkung und Zuspruch: Beim jährlichen Gottesdienst für die Kita-Mitarbeitenden nehmen viele Mitarbeitende das Angebot an, sich segnen zu lassen. Das Wissen, dass jemand wie Bär ansprechbar ist, ist für viele ein wertvoller Rückhalt.
Ein Wesensmerkmal diakonischer Kindertageseinrichtungen ist das evangelische Profil. Quasi im Schatten der Lukaskirche liegt in Köln-Porz die gleichnamige Kita der Diakonie Michaelshoven. Der Stadtteil hat mit 60 Prozent einen besonders hohen Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund; bei den unter 18-Jährigen liegt der Anteil sogar bei fast 80 Prozent. Diese besondere Kombination macht die Kita so beliebt: Unabhängig von der eigenen Weltanschauung oder Religion lernen die Kinder christliche Traditionen und Feste kennen, feiern religiöse Feste und haben regelmäßige Andachten.
Auch in der Kita Salem im westfälischen Minden ist der Morgenkreis mit den Bibel-Geschichten ein Highlight für die Kinder: Anschaulich bringen die Erzieherinnen und Erzieher den Kleinen biblische Inhalte näher – beispielsweise mit einem Erzähltheater über den Zöllner Zachäus. Da über 80 Prozent der Kita-Kinder einen Migrationshintergrund haben, sind die Morgenkreise oft die erste Berührung mit christlichen Inhalten. „Viele Eltern finden es wichtig, dass ihre Kinder die christliche Religion kennenlernen“, sagt Einrichtungsleiterin Milena König. Bereits im Kennenlerngespräch verdeutliche sie das christlich-diakonische Konzept. Dabei stellt sie immer wieder fest, dass viele Eltern mit Migrationshintergrund die christliche Ausrichtung als Bereicherung empfinden.
Toleranz und Offenheit gegenüber anderen Religionen ist in der KiTa trotzdem eine Selbstverständlichkeit. Die KiTa stellt zum Beispiel sicher, dass Kinder aus muslimischen Familien auch ein Mittagessen bekommen, das den religiösen Speisevorschriften entspricht. Außerdem bemühen sich die Erzieherinnen und Erzieher, die Feiertage anderer Religionen zu würdigen und in der KiTa zu erklären. Auch beim großen „Fest der Nationen“, das die KiTa-Mitarbeitenden gemeinsam mit den Eltern organisieren, können die Kinder verschiedene Kulturen kennenlernen. Ein fröhliches Miteinander unter christlichem Leitbild – in der Kindertagesstätte Salem gelingt das jeden Tag.
Ganz anders sieht die soziokulturelle Situation in Brandenburg an der Havel aus: Nur gut jeder Zehnte hat einen Migrationshintergrund. Allerdings gehören kaum mehr (12,5 %) einer Kirche an. „Wir arbeiten in einem hochgradig säkularisierten Umfeld. Das heißt, es besteht weit überwiegend kein originäres Interesse seitens der Eltern am Thema“, berichtet der Bereichsleiter Kitas der Lafim-Diakonie, Joachim Damus. „Aber bei jeder qualitativen Elternumfrage, die wir regelmäßig durchführen, bin ich immer wieder überrascht, wie Eltern ihre Zufriedenheit mit der Vermittlung christlicher Werte ankreuzen. Mit der Praxis sind sie offensichtlich zufrieden. Es zeigt sich eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber der formalisierten Kirche, jedoch werden die urchristlichen Werte immer noch hochgehalten.“ Und so werden beispielsweise auch im „Haus Sonnenwinkel“ christliche Werte wie Gemeinschaft, Verantwortung und Solidarität durch alltägliche Rituale, Gebete und biblische Geschichten vermittelt – und das findet auch bei nicht-religiösen Menschen offenbar guten Anklang.