OFFENER BRIEF an die Dienstnehmervertreter in der ARK DD | Vertreter ohne Vertretungswillen?

Fernbleiben der Dienstnehmervertreter/innen von Verhandlungen zu Arbeitsbedingungen der Diakonie Deutschland ist unverständlich


Sehr geehrte Dienstnehmervertreterinnen und Dienstnehmervertreter in der Arbeitsrechtlichen Kommission der Diakonie Deutschland (ARK DD), 

seit Juni letzten Jahres haben Sie nicht mehr an den verabredeten regulären Sitzungen der ARK DD teilgenommen. 

Diverse Sondierungsgespräche haben, trotz erheblichen Entgegenkommens der Dienstgeber, die Kommissionsverhandlungen nicht wieder in Gang bringen können. Reale Einkommensverbesserungen der Dienstnehmer verzögern sich damit weiter. Die an die Arbeitsvertragsrichtlinien der Diakonie Deutschland (AVR DD) gebundenen Einrichtungen bekommen keine Planungssicherheit. Ihnen ist bekannt, dass die AVR unmittelbar für über 120.000 Mitarbeitende gelten und darüber hinaus den bundesweiten Leittarif für die Diakonie darstellen. 

Regionale und fachliche Unterschiede 
Den Dienstgebern ging es zu Beginn des Jahres 2016 darum, Flexibilisierungen in den AVR DD, entweder nach Hilfefeldern oder nach Regionen, insbesondere für die diakonischen Träger im Norden und im Osten Deutschlands zu erreichen. Angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen gerät die Diakonie dort zunehmend in wirtschaftliche Bedrängnis. Ohne realistische Anpassungen sind diakonische Angebote und damit einhergehend Arbeitsplätze in ernster Gefahr. 

Die neuesten Zahlen der Gesundheitsberichterstattung des Bundes zum Hilfefeld Pflege belegen dies. Der Markt in der Pflege wächst demografiebedingt. Bei den Anbietern von Pflegedienstleistungen ist aber ein Trend zu erkennen – insbesondere in Schleswig-Holstein und in Niedersachsen. In erster Linie wachsen die privat-gewerblichen Anbieter. Die frei-gemeinnützigen Träger, darunter auch die Diakonie, können ihren Anteil an den Angeboten hingegen kaum noch halten, wie die  Grafik im angehängten PDF-Dokument belegt.

Die Dienstgeber in der ARK haben sich für regional flexible Lösungen eingesetzt, um trotz der finanziellen Rahmenbedingungen auch zukünftig diakonische Angebote für (alle) Hilfebedürftigen und attraktive Arbeitsplätze für die Mitarbeitenden vorzuhalten. So notwendig diese Änderungen gewesen wären, so deutlich war auch Ihre Ablehnung. Dies muss respektiert werden. Das kirchliche Arbeitsrecht ist auf Lösungen im Konsens ausgelegt.

Für die Dienstgeber ist allerdings der Verzicht auf diese Forderungen und die Rücknahme der Anträge ein ganz schwieriger Schritt gewesen, verbunden mit hohen Risiken für die Flächentarifbindung. Trotzdem hat das leider Ihrerseits nicht zu einem Einlenken geführt. Stattdessen polemisieren Sie auf dem Dienstnehmer-Blog der ARK www.diakonie-ark-dienstnehmerseite.de/ gegen das paritätische Verfahren des Dritten Weges und greifen in unsachlicher Weise den vom unabhängigen Präsidenten des obersten EKD-Kirchengerichts (KGH-EKD) eingesetzten unparteiischen Schlichter an. Die Frage drängt sich auf: Worum geht es Ihnen, in Ausübung Ihres Wahlamtes, als ARK-Kommissionsmitglieder eigentlich? Konfliktlösung im Konsens erfordert, dass beide Partner um die Divergenz ihrer Interessen wissen, aber auch um die Konvergenz ihrer Ziele. Was aber ist Ihr Ziel?

Nach der geltenden Ordnung sind die Aufgaben und Ziele Ihres kirchlichen Amtes klar beschrieben: Die ARK DD soll die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeitenden der Diakonie fortentwickeln und ordnen. Die Vertreter der Dienstgeber in der Kommission warten darauf, diese Arbeit, gemeinsam mit Ihnen, wieder aufnehmen zu können.

Was auf dem Tisch liegt
Nachdem im Frühjahr 2016 beide Seiten der ARK die Schlichtung anriefen, tagte der Schlichtungsausschuss unter dem Vorsitz des unparteiischen Schlichters im vergangenen Sommer. Die Ergebnisse konnten jedoch aufgrund Ihrer Abwesenheit anschließend nicht in einer Sitzung der ARK DD beraten werden, wie dies in der Ordnung der ARK DD vorgesehen ist. 

Daraufhin legten die Dienstgeber im Herbst 2016 ein neues Angebot vor. Es sieht eine Entgelterhöhung von insgesamt 5,3 Prozent für die Jahre 2016 und 2017, die (Wieder-) Einführung einer geringen Eigenbeteiligung für die kirchliche Zusatzrente sowie eine redaktionelle Klarstellung zu den sogenannten Öffnungsklauseln vor. 

Die angebotenen Entgeltsteigerungen sind beispielhaft und vergleichsweise dem angehängten PDF-Dokument zu entnehmen. 

Die „Öffnungsklauseln“ ermöglichen diakonischen Trägern, die sich in einem schwierigen Wettbewerbsumfeld bewegen oder in finanziellen Schwierigkeiten sind, zum Schutz von Angeboten und Arbeitsplätzen in engen Grenzen zum Beispiel die Jahressonderzahlung („Weihnachtsgeld“) zu reduzieren. Angesichts der schwierigen Situation des kirchlichen Zusatzrentensystems soll die Wiedereinführung einer Dienstnehmereigenbeteiligung dieses System zukunftsfähiger machen. 

Aber auch mit diesem „kleinen“ Gesamtpaket kam es bislang zu keiner Einigung. Folgerichtig haben die Dienstgeber ein weiteres Schlichtungsverfahren Anfang 2017 eingeleitet. 

Gestaltungsoptionen erkennen und wahrnehmen
Alle Mitglieder der ARK DD sind in der Verantwortung, zu handeln und nicht zu unterlassen! Es geht nicht um ideologische Debatten. Es kann auch nicht darum gehen, den (steuerfinanzierten!) Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes auf die Diakonie zu übertragen. Nach meiner ganz persönlichen Einschätzung wäre das auch für die Beschäftigten vieler Berufsgruppen weniger attraktiv: wegen geringerer Entgelte, generell abgesenkter Jahressonderzahlung und fehlender Kinderzulage. 

Es geht nun darum, dass Sie Ihr Amt in dem Vertrauen wahrnehmen, dass andere in Sie gesetzt haben. Deswegen bin ich so verwundert darüber, dass Sie genau diese Verantwortung durch Ihr aktives Fernbleiben nicht annehmen, ja geradezu verweigern. 

Ich verstehe, dass die Verhandlungen in den letzten Jahren und Monaten nicht einfach waren. Ich verstehe auch, dass es zu manch unbedachter Äußerung gekommen sein mag. Ich verstehe, dass Kompromissfindung oft schwer und mühsam ist und manchmal der eine (in diesem Fall die Dienstgeber mit der Rücknahme der Flexibilisierungsanträge) sich mehr bewegen muss als der andere. Natürlich ist die tarifpolitische „Großwetterlage“ gerade für kirchliche Dienstnehmervertreter in der Sozialwirtschaft nicht besonders einfach. Ich verstehe aber nicht, warum Sie bislang nicht bereit waren, über das aktuelle Paket in der zuständigen Kommission zu verhandeln. 

Schlichtungsverfahren als Chance
Der Dritte Weg sieht das Schlichtungsverfahren als eine reguläre Methode vor, um zu Lösungen zu gelangen. Das verbindliche Schlichtungsverfahren in der Diakonie wurde zudem vom Bundesarbeitsgericht (BAG) und damit höchstrichterlich als probates Mittel des Interessensausgleichs bestätigt. Es gibt keinen vernünftigen Grund, sich der Mühe zu entziehen, die das Amt, in das man gewählt wurde, nun einmal mit sich bringt.

Die ARK DD – und auch deren satzungsgemäßen Schlichtungsausschuss – kann man als eine Werkstatt bezeichnen. Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Und so wissen auch die Dienstgeber noch nicht, was bei der Schlichtung herauskommen könnte. Jedenfalls haben sie ihre anhängigen Anträge mit sachlichen Argumenten begründet. Ob es ein sachgerechter Kompromiss wird und ob er für Probleme bei den diakonischen Einrichtungen sorgen wird, das ist für beide Seiten ungewiss. Wir stehen gemeinsam vor der Aufgabe, für Arbeitsplätze zu sorgen, die sowohl attraktiv besoldet als auch sicher und nachhaltig finanzierbar sind. Sie sollten deshalb jetzt zeigen, dass Sie fähig und bereit sind, das Werkzeug in die Hand zu nehmen oder zumindest die Werkstatt zu betreten. Es wird sonst schwierig werden, als „redliche Handwerker“ durchzugehen und auch Außenstehenden glaubhaft zu machen, dass man seinen konkreten Auftrag erfüllen will.

In diesem Sinne hoffe ich und appelliere erneut an Sie: Beteiligen Sie sich im ordentlichen Verfahren. Nutzen Sie Ihre Gestaltungsoptionen. Und nehmen Sie Ihre wichtige Verantwortung für die Diakonie-Beschäftigten und den diakonischen Auftrag wahr!

Mit freundlichen Grüßen, 

Verband diakonischer Dienstgeber
in Deutschland
Der Vorstandsvorsitzende

Ihr Christian Dopheide

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