Auf Krisen kann man sich vorbereiten

Eine Insolvenz, rechtspopulistische Angriffe oder das Thema sexualisierte Gewalt waren nur einige Beispiele, mit denen sich die Teilnehmenden des Intensivseminars „Souverän durch die Krise“ auseinandersetzten. Mit der Themensetzung scheint der V3D einen Nerv getroffen zu haben, wie die Nachfrage nach dem Angebot zeigte.
Ein neuer Vorstand kommt – und keine zwei Wochen nach der Einführung wird die Insolvenz eines Tochterunternehmens verkündet. Doch nicht nur das: Auch drei weitere Einrichtungenmussten kurz darauf Insolvenz anmelden. Eine Herkulesaufgabe, die der Kommunikationsabteilung und allen weiteren Beteiligten viel abverlangt. Wann werden die Mitarbeitenden und betroffenen Klienten informiert? Welche Fragen müssen zuvor mit wem und bis wann geklärt werden? Wie läuft die Abstimmung mit dem (vorläufigen) Insolvenzverwalter? In dem Fall aus Niedersachsen konnte schlussendlich für alle insolventen Einrichtungen eine gute Lösung gefunden werden. Dialogformate und teilweise minutengenaue Kommunikationspläne stellten (meist) sicher, dass die kommunikativen Herausforderungen gut gemeistert werden konnten. Erfahrungen, von denen die anderen Teilnehmenden des Seminars nun profitieren.
Risiken analysieren und Notfallpläne erarbeiten
Der langjährige Leiter der Unternehmenskommunikation des Schuheinzelhändlers Deichmann, Ulrich Effing, ermutigte die Teilnehmenden, sich auf Krisenszenarien vorzubereiten. Checklisten und Fragestellungen sollten dabei helfen. Grundlegend sei, dass Kommunikatoren das Standing hätten, notfalls auch in eine Vorstandssitzung reinplatzen zu können, wenn etwas Dringliches abgestimmt werden müsste. Als „Krisengesicht“ empfehle er den Pressesprecher/die Pressesprecherin, nicht den Vorstand. Zudem bekamen die Teilnehmenden u. a. ein „Krisenkommunikations-Cluster“ an die Hand, anhand dessen man mögliche Risiken im Unternehmen identifizieren und die Erarbeitung von entsprechenden Notfallplänen priorisieren kann. Damit einher geht ein ausgefeiltes Stakeholder-Management, auf deren Basis zielgerichtete Kommunikationsstrategien vorbereitet werden können.
Diakonische Werte hervorheben
Der Leiter Aktuelles / Chef vom Dienst der Diakonie Deutschland, Matthias Sobolewski, stellte exklusiv Ergebnisse einer Studie vor, die im vergangenen Jahr nach der Kontroverse um ein Interview von Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch zur AfD in Auftrag gegeben worden war. Diakonie und Kirche seien herausgefordert, ihre Werte und auch deren Wurzeln klarer hervorzuheben. Die nun gewonnenen Erkenntnisse sollen in einen breit angelegten Diskussionsprozess einfließen, in denen die eigene Positionierung auch kritisch hinterfragt werden müsste, um kommunikative Weichenstellungen vornehmen zu können. Das Beispiel zeigte anschaulich, wie eine Krisensituation zur strategischen Nachjustierung genutzt werden kann.
Was man aus Korntal lernen kann
Zum Abschluss gab der ehemalige Vorsteher der Brüdergemeinde Korntal, Klaus Andersen, Einblick in den Aufarbeitungs- und Kommunikationsprozess zum Thema sexualisierte Gewalt. In den der Gemeinde zugehörigen Kinderheimen der Diakonie Korntal kam es zwischen 1949 und 1975 zu unterschiedlichen Gewalt-Übergriffen von 81 Tätern. Davon seien 15 Täter mit sexualisierter Gewalt namentlich bekannt. 2014 berichtete mit Detlev Zander erstmals ein ehemaliger Heimbewohner öffentlich darüber, Opfer geworden zu sein. Andersen gab Einblick in die subjektiven Erwartungen der verschiedenen Anspruchsgruppen: Allen voran der Betroffenen, aber auch der Öffentlichkeit und Medien, ehemaligen Mitarbeitenden bis hin zu Gemeindegliedern, die höchst unterschiedliche Gemütslagen und Kommunikationsbedürfnisse mit sich brachten. Der Prozess sei ein permanentes Lernen gewesen. Am Anfang habe die Verantwortungsübernahme gestanden – man habe aus Sicht der Betroffenen zu lange gebraucht.
Die Tatsache, dass eine öffentliche Bitte um Vergebung erst vier Jahre nach Zanders Gang in die Öffentlichkeit erfolgte, begründete Andersen mit der zunächst gescheiterten und auch komplexen Aufarbeitung. Vor allem aber „musste erst alles auf den Tisch." Pauschale Entschuldigungsbriefe von ehemaligen Mitarbeitenden am Anfang des Aufarbeitungsprozesses wurden von den Betroffenen nicht ernstgenommen. „Es ist wichtig, um Entschuldigung zu bitten und Fehler zuzugeben – aber es braucht auch den richtigen Zeitpunkt dafür“, so sein Resümee. Heute sei man im Vergleich zu den Anfängen in Diakonie und Kirche deutlich besser aufgestellt. Sowohl im Beteiligungsprozess für Betroffene durch die wertvolle Arbeit des Beteiligungsforums in der EKD, als auch in der Qualifikation von Experten für Aufarbeitungsprozesse, in der Prozessbegleitung und Aufklärung.

Referierende des Intensivseminars V3D-Krisenkommunikation in Kassel. V.l.n.r. Ulrich Effing, Klaus Andersen, Tobias-B. Ottmar, Matthias Sobolewski, Kerstin Kempermann.
Ansprechpartner

Tobias-B. Ottmar
Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Verbandskommunikation
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