Seit Jahrzehnten bieten Kirche und Diakonie eine eigene betriebliche Altersversorgung an. Diese ist für Mitarbeitende attraktiv, hat jedoch ihre Tücken und ist reformbedürftig.

Die kirchlichen Zusatzversorgung wird heute mit wenigen Ausnahmen über drei eigenständige evangelische Zusatzversorgungskassen organisiert. Das Altersvorsorgeinstrument hat sich bewährt, steht allerdings vor vier Herausforderungen:

1. Komplexe Strukturen, wenig Alternativen

Mit der flächendeckenden Anbindung bieten die diakonischen Dienstgeber eine verlässliche Form der zusätzlichen Altersversorgung. Der Haken: Die gegenwärtigen Regelungen geben wenig Raum für Alternativlösungen. Teilweise schreiben Diakonische Werke die Mitgliedschaft bei einer Zusatzversorgungskasse explizit vor. Die Aufteilung der durch die Kassen per Satzung festgelegten Beitragssätze wird wiederum in den jeweiligen Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) bzw. kirchengemäßen Tarifverträgen (TV) geregelt. Anpassungen sind insofern auch von der Kompromissbereitschaft der tarifierenden Sozialpartner abhängig. Bislang trägt der Dienstgeber einen Großteil der Beiträge von aktuell bis zu 6,5 Prozent des Bruttolohns – Eigenanteile der Dienstnehmer sind gedeckelt oder gar nicht vorgesehen. Eine höhere Eigenbeteiligung der Dienstnehmer wäre aber zur Entlastung der Einrichtungen notwendig. Von Leistungsanpassungen oder gar Kürzungen ist man ebenfalls weit entfernt. Alternativen gibt es kaum: Lediglich in den AVR des Diakonischen Werks Berlin-Brandenburg schlesische Oberlausitz gibt es ein kollektiv vereinbartes Modell mit einem festgeschriebenen Beitrag von 4 Prozent und dafür entsprechend vermindertem Leistungsversprechen. Bislang wurde diese Regelung – die in der Satzung der EZVK abgebildet wurde – aber weder von anderen Arbeitsrechtlichen Kommissionen (ARK) noch anderen Zusatzversorgungskassen übernommen. Wechselseitig verweist man bei Reformansätzen auf fehlende satzungs- bzw. tarifrechtlichen Regelungen – ein Ping-Pong-Spiel. Ein vor zwei Jahren vorgeschlagener zentraler Beirat, der alle Sichtweisen (Kassen, Aktuare, Dienstgeber und Dienstnehmer, Sachverständige u.ä.) zusammenbringen und Lösungen suchen sollte, wurde leider von Seiten der Dienstnehmer, die in den ARKen und auch in den Gremien der Kassen sitzen, abgelehnt. Darüber hinaus gibt es auch gesetzgeberische Blockaden: So ist die sogenannte reine Beitragszusage, bei welcher der Dienstgeber zwar einen bestimmten Betrag zur Zusatzversorgungskasse zusagt,nicht aber die spätere Rentenhöhe garantieren muss, bei Anwendung von AVR bislang nicht möglich. 

2. Steigende Beiträge, Altlasten und Demografie

Bedingt u.a. durch die demografische Entwicklung entschloss man sich Anfang der 2000er-Jahre zur Umstellung vom Umlage- auf ein kapitalgedecktes Verfahren (Punktesystem), bei dem die eingezahlten Beiträge angespart und zur Finanzierung der Renten verwendet werden. Um die aus alten Anwartschaften resultierende Finanzierungslücke zu schließen, mussten bzw. müssen teilweise noch über Jahre Sanierungsgelder bzw. Stärkungs- und Sonderbeiträge oder erhöhte Regelbeiträge geleistet werden – eine echte finanzielle Herausforderung für die Träger. Hinzu kommt ein zu erwartender überproportionaler Rückgang kirchlicher Beschäftigter, der u. U. dazu führt, dass die Altlasten verstärkt den diakonischen Unternehmen zuwachsen. Gleichzeitig ist auch im Bereich der Diakonie nach Jahren des Personalaufbaus mittelfristig mit einem Rückgang der Beschäftigten zu rechnen. Im Falle eines deutlichen Stellenabbaus käme es zu geringeren Beitragseinnahmen für die Kassen und im Umkehrschluss zu höheren Beiträgen der Beteiligten.

3. Abhängigkeit vom öffentlichen Dienst

Was man mit der Reform AVR der Diakonie Deutschland (AVR DD) im Jahr 2007 im Tarifsystem erreicht hat – die Emanzipierung von den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes – ist im Bereich der Altersversorgung derzeit nicht absehbar. Das gesamte System der kirchlichen Zusatzversorgung ist durch AVR / kirchengemäße TV bzw. per Kassensatzungen an den TV-Altersversorgung des öffentlichen Dienstes gekoppelt (Stichwort: Überleitungsfähigkeit). Eine mögliche Erhöhung der dortigen Rentendynamik wirkt sich quasi direkt auf den hiesigen Finanzierungsbedarf und in Folge dessen die Beitragssätze aus.

4. Deckungslücke

Das aktuelle Kassenvermögen reicht nicht aus, um alle bestehenden Anwartschaften bis zum Ende der kalkulierten Laufzeit zu decken - zumal die garantierte Verzinsung der Anwartschaften bei derzeit 3,25 Prozent bis Rentenbeginn und 5,25 im Rentenbezug weit über dem dauerhaft erzielbaren Marktzins liegt. Zwar erhöhte sich der Deckungsgrad zuletzt, doch wenn sich die wirtschaftliche Rezession weiter fortsetzt bzw. die demografische Entwicklung anders verläuft, als erwartet, kann sich dieser Trend schnell wieder ändern. Ist der Finanzbedarf zu hoch, müssten die Beiträge erhöht werden oder bei Ausfall von Unternehmen in letzter Konsequenz die beteiligten Kirchen als Gewährsträger haftend in die Bresche springen.

Fazit: Dringender Reformbedarf

Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen und demografischen Entwicklungen sind grundlegende strukturelle Reformen angezeigt, um die Lasten gerechter zu verteilen und so die Leistungen der kirchlichen Zusatzversorgungskassen auch in Zukunft zu erhalten. Allen an diesem System Beteiligten kommt dabei eine hohe Verantwortung zu: Sie müssen an einem Strang ziehen und gemeinsam Lösungen und zukunftsfähige Alternativen entwickeln. Das PingPong-Spiel der Verantwortungsverschiebung muss aufhören. Ein komplexes und möglicherweise auch unpopuläres Unterfangen – der weitere Aufschub hätte aber wohl gravierende Folgen.


VdDD-Magazin "diakonie unternehmen"

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Ansprechpartner


Michael Scheer
Michael Scheer

Referent für Arbeits- und Tarifrecht

Tobias-B. Ottmar
Tobias-B. Ottmar

Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Verbandskommunikation