Die zirkuläre Produktivität | Wert des Bestehenden
Es ist nicht möglich, CO2-frei zu bauen. Um das Klima und Ressourcen zu schützen, sind Umnutzungen und Wiederverwendungen von entscheidender Bedeutung. Dabei entfaltet die kreative Bearbeitung des Vorhandenen eine eigene Ästhetik. Ein Standpunkt von Amandus Samsøe Sattler, Präsident der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB).
Der Diskurs um zirkuläres Wirtschaften innerhalb der Wertschöpfungskette des Bauens benötigt dringend eine Möglichkeit der Umsetzung, hin zu Regeneration und weniger Verbrauch. Der Raubbau an Umwelt und Ressourcen muss enden. Damit haben wir alle eine neue Verantwortung, die auch in einer baulichen und ästhetischen Antwort sichtbar werden soll. Gerade christliche Organisationen haben den Auftrag, Verantwortung für die Schöpfung zu übernehmen, sie zu erhalten und nicht weiter zu zerstören. Umwelt- und Klimaschutz sind nicht verhandelbar.
Abkehr vom Take-Make-Waste-Prinzip
Im Bereich sozialer Immobilien sollten wir unsere Vorgehensweise hinterfragen. Das Take-Make-Waste Prinzip – wir nehmen Ressourcen aus der Erde, stellen Materialien her, verbauen sie in Gebäuden und entsorgen sie wieder, obwohl sie noch gut und gebrauchsfähig sind – ist nicht mehr geeignet. Die Zerstörung der Umwelt, der Natur und damit unserer Lebensgrundlage, aus wirtschaftlichen Gründen, widerspricht fundamental einer christlichen Haltung. Wenn wir zirkuläre Ansätze beim Bauen verfolgen, wird der Gestaltungsprozess und damit auch die Ästhetik oft durch den Zufall der Verfügbarkeit von Materialien bestimmt. Dieses Prinzip folgt dem Gedanken: Form follows availability – die Gestaltung folgt der Verfügbarkeit. Diese Vorgehensweise reduziert den Verbrauch von Ressourcen konsequent und ermöglicht eine wirkliche CO2 -Senke. Aus dem Um- und Weiterbauen, dem Umnutzen und Wiederverwenden entsteht eine sichtbar andere Ästhetik und ein anderes Verständnis: Wir können nachvollziehen, was sich im Raum, in der Stadt und in der Gesellschaft verändert und entwickelt. So kann Architektur beitragen, die Wahrnehmung für die Umwelt zu schärfen, um bewusster mit ihr umzugehen.
Die Gestaltung folgt der Verfügbarkeit: eine Fassade mit wiedeverwendeten Gläsern und Betonunterzügen. Grafik: Lendager Group / ensømble studio
Im Bereich sozialer Immobilien sollten wir unsere Vorgehensweise hinterfragen. Das Take-Make-Waste Prinzip – wir nehmen Ressourcen aus der Erde, stellen Materialien her, verbauen sie in Gebäuden und entsorgen sie wieder, obwohl sie noch gut und gebrauchsfähig sind – ist nicht mehr geeignet. Die Zerstörung der Umwelt, der Natur und damit unserer Lebensgrundlage, aus wirtschaftlichen Gründen, widerspricht fundamental einer christlichen Haltung. Wenn wir zirkuläre Ansätze beim Bauen verfolgen, wird der Gestaltungsprozess und damit auch die Ästhetik oft durch den Zufall der Verfügbarkeit von Materialien bestimmt. Dieses Prinzip folgt dem Gedanken: Form follows availability – die Gestaltung folgt der Verfügbarkeit. Diese Vorgehensweise reduziert den Verbrauch von Ressourcen konsequent und ermöglicht eine wirkliche CO2 -Senke. Aus dem Um- und Weiterbauen, dem Umnutzen und Wiederverwenden entsteht eine sichtbar andere Ästhetik und ein anderes Verständnis: Wir können nachvollziehen, was sich im Raum, in der Stadt und in der Gesellschaft verändert und entwickelt. So kann Architektur beitragen, die Wahrnehmung für die Umwelt zu schärfen, um bewusster mit ihr umzugehen.
Umbau statt Neubau?
Sanierung oder Abriss und Neubau von Sozialimmobilien ist heute nicht mehr die Frage. Wenn wir verantwortlich mit Ressourcen und Treibhausemissionen umgehen wollen, um die Erde für uns Menschen bewohnbar zu erhalten, gibt es nureinen Lösungsweg: die selektive Verbesserung und bauliche Anpassung der bestehenden Gebäude. Noch immer hören wir ja aus der Politik und aus der Immobilienbranche, dass viel neu gebaut werden müsse, um den Bedarf, vor allem an Wohnungen, zu decken. Aber wie lässt sich diese Ansage vom Bauen, Bauen, Bauen mit dem Erreichen der Klimaziele vereinbaren? Man kann nicht CO2 - frei bauen! Immer noch müssen täglich viele bestehende Gebäude, die gestern noch genutzt wurden, Ersatzneubauten weichen. Der Konflikt ist unübersehbar. Aber was heißt das konkret? Aufhören mit dem Bauen? Umbau statt Neubau? Materialeffizientes Bauen? Klimaschonende, klimapositive Baumaterialien? Wiederverwendung bestehender Bauteile? Alle Antworten sind richtig und führen die Branche weiter: weniger neu bauen, wertschätzender mit dem Bestand an Gebäuden und Materialien umgehen. Das trägt zu einer Gesellschaftsentwicklung bei, weg von einer expansiven, hin zu einer reduktiven Moderne: mehr aus weniger machen. Es entsteht eine neue Stimmung für eine andere zirkuläre Produktivität. Es entwickelt sich eine vielstimmige Ästhetik, eine Symbiose unterschiedlichster Ausdrucksformen.
Improvisierte Schönheit
Der Bestand bietet uns eine Perspektive, weitgehend zerstörungsfrei zu gestalten. Wenn wir uns um vorhandene Gebäude bemühen, funktionale Offenheit zeigen und das Altern und Wiederverwenden von Material auch ästhetisch akzeptieren, können wir eine zirkuläre Produktivität entwickeln. Ein Gebäude ist nicht fertig beim Einzug. Hier beginnt ein Leben, voller Änderung und Anpassung. Eine unerwartete und improvisierte Schönheit kann entstehen. Der Ausdruck einer glücklichen Genügsamkeit.
Zum Autor
Prof. Amandus Samsøe Sattler setzt sich in seiner Arbeit mit der Zukunft des Bauens, der Wechselwirkung zwischen Architektur und Gesellschaft sowie der Verantwortung für Ästhetik und Nachhaltigkeit auseinander. Sattler ist Professor für Architektur an der IU Internationalen Hochschule und Präsident der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB).
VdDD-Magazin "diakonie unternehmen"
Dieser Text stammt aus dem VdDD-Mitgliedermagazin "diakonie unternehmen" 1/24, das VdDD-Mitgliedern kostenfrei zur Verfügung steht.