Krankenhausreform: Anpassungen nötig!
Zum Jahresende 2024 trat die Krankenhausreform in Kraft. Der stellvertretende Vorsitzende des VdDD und kaufmännische Vorstand der DGD Stiftung, Hubertus Jaeger, nimmt dazu Stellung. Die DGD Stiftung betreibt u. a. mehrere Krankenhäuser.
Welches Gefühl überwiegt nach der Entscheidung zur Krankenhausreform – Erleichterung oder Enttäuschung?
Jaeger Das Gesetz ist verabschiedet, und weiterhin hängen die Krankenhäuser quasi in der Luft. Frühestens Ende 2025 wissen wir und die Patienten erst, welche Häuser welche Leistungsgruppen anbieten dürfen und mit welchem Vorhaltebudget vielleicht zu rechnen ist. Diese sollen ohnehin erst ab 2027 Wirkung zeigen. Planungssicherheit für die Krankenhäuser und die Krankenhausversorgung bietet dieser Zeitplan also nicht, weder wirtschaftlich noch hinsichtlich der Versorgung. Leider ist auch die von den Ländern ursprünglich geforderte Auswirkungsanalyse, die wir für sehr sinnvoll gehalten hätten, ausgeblieben. Letztlich führt das Gesetz versorgungspolitisch in eine nicht befriedigende Situation. Denn es fehlt heute schon häufig der Zugang zu Fachärzten – das wird sich zukünftig auch auf stationäre Angebote ausweiten. Dennoch sagen wir: Auch, wenn das Gesetz handwerklich schlecht gemacht ist und es immensen Verbesserungsbedarf gibt, ist es gut, dass es verabschiedet wurde. Denn es hängen Finanzierungsmodelle und Planungen an der Reform.
Eine wesentliche Änderung ist die Einführung der Vorhaltepauschalen: Die Krankenhäuser erhalten für das bloße Vorhalten von Leistungsangeboten Geld. Was sind die größten Kritikpunkte?
Jaeger Zunächst müssen wir hier einen Punkt klarstellen: Die Vorhaltefinanzierung ist ein Etikettenschwindel und lediglich eine gute Überschrift. Denn diese würde bedeuten, dass völlig leistungsunabhängig 100 Prozent der Fixkosten finanziert werden. Die Realität sieht anders aus: Mit der Vorhaltepauschale von 60 Prozent gibt es für die Fixkosten der Krankenhäuser, die bei bis zu 75 Prozent liegen, bereits eine strukturelle Unterdeckung. Der Rest muss weiterhin über die Fallkostenpauschale – die noch dazu abgesenkt wird – erbracht werden. Wir kommen aus dem Hamsterrad, das durch die Reform abgeschafft werden sollte, also nicht heraus.
Und: Auch eine Refinanzierung der Tariferhöhungen findet nicht in dem Maße statt, wie sie uns helfen würde. Die Jahre 2022 und 2023 waren durch Inflation und hohe Tarifabschlüsse sehr kostenintensiv – aber genau diese hohen Abschlüsse werden nicht refinanziert. Stattdessen hat Gesundheitsminister Karl Lauterbach angeboten, die Tariferhöhungen für 2024 zu refinanzieren – die sind im Vergleich aber sehr moderat ausgefallen. Die strukturelle Unterfinanzierung der Krankenhäuser bleibt also.
Ein ganz großer Mangel ist es zum Beispiel auch, dass es keine Flexibilität für die Länder bei den Leistungsgruppenzuweisungen gibt. Denn das führt dazu, dass man nicht auf regionale Besonderheiten eingehen kann. Niemand kann heute sagen, welche Klinik nach der Reform mehr oder weniger Geld bekommt, dafür steigt der Bürokratieaufwand erheblich.
Gibt es auch Positives?
Jaeger: Immerhin wurde an einem wichtigen Punkt nicht gerüttelt: Das Zahlungsziel von fünf Tagen, das vor dem Hintergrund der Corona-Maßnahmen eingeführt wurde, ist nun festgeschrieben. Das Land Hessen hätte sonst beispielsweise ein Zahlungsziel von 30 Tagen gehabt – so lang, wie kein anderes Bundesland. Das bedeutet, dass wir im laufenden Betrieb bei gleichbleibend hohen Kosten nahezu zwei Monate lang kein Geld vom Land bekommen hätten – durch die Beibehaltung der Regel wurde so für uns ein Liquiditätsengpass von rund 10 Millionen Euro vermieden.
Zur Person
Hubertus Jaeger leitet seit 2020 gemeinsam mit Claudia Fremder die DGD Stiftung. Mit ihrer Holding in Marburg ist sie ein Verbund diakonischer Gesundheitseinrichtungen. Dazu zählen Krankenhäuser, Rehakliniken, Medizinische Versorgungszentren (MVZ), Senioreneinrichtungen sowie zwei Pflegeschulen. Insgesamt arbeiten mehr als 3.900 Menschen für die Organisation. (Foto: Andreas Schmidt/DGD Stiftung)
Mit der Reform sollen „nicht notwendige Krankenhäuser“ abgebaut werden und Kliniken sich stärker spezialisieren – welche Auswirkungen wird dies für Ihr Unternehmen haben?
Jaeger Die sogenannten Qualitätsvorgaben sind insbesondere bei der Anzahl der Ärzte sehr hoch angesetzt. Um beispielsweise die Notfallversorgung weiter vornehmen zu können, wird eine Zusatzweiterbildung verlangt, die es erst seit wenigen Jahren gibt. Rein rechnerisch gibt es nur 1,2 Fachärzte in den Kliniken, gefordert sind jedoch drei. Ausnahmeregelungen sind nicht vorgesehen, das Land darf dann die Notfallversorgung an diese Krankenhäuser nicht mehr vergeben. Das führt zu noch größeren Engpässen bei anderen Klinken – wenn es überhaupt welche gibt. Es drohen geradezu „englische Verhältnisse“ mit langen Wartezeiten für Patienten.
Die Union hat bereits angekündigt, im Falle eines Wahlsiegs das Gesetz überarbeiten zu wollen. Welche Anpassungen wären Ihrer Ansicht nach geboten?
Jaeger Es ist in der Tat offen, wie lange die Reform überhaupt in ihrer jetzigen Form Bestand haben wird. Denn wie eine neue Regierung mit dem Gesetz umgehen wird, steht noch nicht fest. Die Union hat tatsächlich bereits angekündigt, im Falle eines Wahlerfolgs Nachbesserungen vorzunehmen. Das verabschiedete Gesetz wäre also nicht in Stein gemeißelt – ein Hoffnungsschimmer wäre, wenn dann die strukturellen Schwächen noch ausgemerzt würden. Drängendste Themen wären aus unserer Sicht eine Überbrückungsfinanzierung bis 2027, um das Krankenhaussterben quasi „durch die kalte Küche“ zu verhindern. Zudem sollten die Bundesländer bei der Planung mehr Ausnahmemöglichkeiten erhalten.
Unsere Forderung an die Politik ist ganz klar: Bessern Sie an den von Ländern und Verbänden kritisierten Punkten vernünftig nach – und garantieren Sie den Krankenhäusern eine auskömmliche Finanzierung, die eine Planungssicherheit gewährleistet und somit zu einer guten Gesundheitsversorgung in der Fläche beiträgt.
Schon jetzt beklagen private und gemeinnützige Träger eine Bevorzugung der kommunalen Häuser. Womit rechnen Sie bei der Verteilung der Mittel aus dem Transformationsfonds?
Jaeger Die aktuelle Unterfinanzierung wird bei freigemeinnützigen und privaten Krankenhausträgern vom Stifter beziehungsweise Eigentümer getragen. Bei öffentlichen Krankenhäusern sind es die Steuerzahler. Das ist ungerecht und führt zu einer kalten Enteignung der Träger. Ob der Transformationsfonds tatsächlich wie geplant kommt, ist fraglich – die gesetzlichen Krankenkassen hätten gute Gründe, dagegen zu klagen.
Halten Sie den zeitlichen Fahrplan bis 2029 für realistisch?
Jaeger Er ist zumindest sehr ambitioniert. Kurzfristig ändert sich für unsere Häuser zunächst nichts. Mittel- und langfristig wird sich die finanzielle Situation aber weiter anspannen, da Krankenhäuser ja per se strukturell unterfinanziert werden. Sollte eine neue Regierung an der Reform nachbessern wollen, sollte sie das möglichst schnell nach den Neuwahlen tun. Denn: Der Zeitraum der Planungsunsicherheit, in dem wir nicht wissen, wo die Reise hingeht, ist bereits lang genug. Und eine solche Unsicherheit ist für ein Unternehmen schlichtweg eine Katastrophe. Wir müssen für unsere Krankenhäuser wissen, wie die Zukunft gestaltet wird – damit es in Deutschland weiterhin eine gute Versorgung auch in der Fläche gibt.
Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Tobias-B. Ottmar
Ansprechpartner
Tobias-B. Ottmar
Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Verbandskommunikation