Wie gelingt diakonischen Unternehmen eine klimaneutrale und nachhaltige Beschaffung? Das ist ein Thema unserer kommenden Strategietagung Nachhaltigkeit. Im Vorfeld haben wir die Nachhaltigkeitsverantwortliche Gabriele Thurn gefragt, wie die Johanniter vorgehen.

Zur Person

Gabriele Thurn leitet den Bereich Nachhaltigkeit bei der Johanniter GmbH. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Anna Thinius sowie Stefan Krojer, Experte für Environmental Social Governance (ESG, dt. Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) und Gründer von Zukunft Krankenhaus-Einkauf (ZUKE) und ZUKE Green, gibt Thurn auf der Strategietagung Nachhaltigkeit 2025 Tipps für die Umsetzung.

Laut einer Umfrage stehen 90 Prozent der Krankenhäuser bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung noch ganz am Anfang. Wie sieht es bei den Johannitern aus?

Thurn: Wir haben uns schon 2022 mit dem Thema Nachhaltigkeitsstrategie befasst und diese 2023 fertig gestellt. Ab Ende 2023 haben wir dann begonnen, uns mit der Berichtspflicht auseinander zu setzen. Hierzu haben wir z.B. die Wesentlichkeitsanalyse gemeinsam mit unseren Gremien, z.B. unserer ESG Konzernarbeitsgruppe erarbeitet.Wir haben dabei aber auch feststellen müssen, dass es nicht nur Vorteile hat früh zu beginnen, weil sich Vorgaben bis zur verpflichtenden Umsetzung nochmal ändern können und man unter Umständen wieder Strukturen anpassen muss. 

Was haben sie bisher erreicht?

Thurn: Im Rahmen unserer Nachhaltigkeitsstrategie haben wir konkrete Ziele definiert. Im Bereich Umwelt wollen wir z.B. bis 2040 einen klimaneutralen Einrichtungsbetrieb erreichen und die Emissionen in den Lieferketten (Scope 3) reduzieren. Grundlage dafür ist die Erfassung des eigenen CO2-Fußabdrucks, den wir auch in diesem Jahr veröffentlicht haben. Zur Strategie gehören aber auch die Bereiche „Soziales“ und „Unternehmensführung“. 

Strategietagung Nachhaltigkeit 2025

Die Reduzierung der CO2-Emissionen und die Berichterstattung nach CSRD-Richtlinie sind drängende Herausforderungen für Sozialunternehmen. Große Einsparpotenziale liegen im Scope3-Bereich, insbesondere bei der Verpflegung, Beschaffung und Mobilität. Diesem Thema widmen uns im Rahmen der 5. Strategietagung Nachhaltigkeit am 22. und 23. Mai 2025 in Berlin. Das Motto: Ran an die Wertschöpfungsketten! Das ausführliche Programm, die Teilnahmebedingungen, weitere Informationen und den Anmeldelink finden Sie im hier

Was würden Sie anderen Unternehmen raten, die beim Thema Nachhaltigkeit vielleicht noch nicht so weit sind?

Thurn: Ich kann nur dazu raten, im Rahmen eines Strategieprozesses eine Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln. Das hilft zum einen in der internen Steuerung von Prozessen, wenn man auf die langfristigen Ziele verweisen kann, die wir mit operativen Maßnahmen erreichen wollen. Es hilft aber auch in der Zusammenarbeit mit Stakeholdern wie z. B. Banken. Gleichzeitig muss man sich bewusst sein, dass strategische Ziele auch angepasst werden dürfen und müssen, weil sich Rahmenbedingungen verändern oder der Prozess anders läuft als erwartet. 

Was ist die Voraussetzung, um sich dem Thema so intensiv widmen zu können?

Thurn: Man braucht auf jeden Fall eine Person, die das Thema vorantreibt. Dafür rate ich – je nach Größe des Unternehmens - mindestens eine halbe Stelle einzuplanen. Hinsichtlich der Reduzierung der Scope 3-Emissionen ist die Vernetzung mit den Verantwortlichen für den Einkauf essenziell. In unserem Fall haben wir schnell gesehen, dass wir bei dem Thema einen großen ökologischen und auch ökonomischen Hebel haben – mehr als 70 % unseres CO2-Fußbadrucks entstehen im Scope 3-Bereich. Unsere eingekauften Waren- und Dienstleistungen  haben einen sehr großen Anteil daran. In unserem Fall sind viele Kliniken auch Teil von Einkaufsgemeinschaften. Es ist daher auch wichtig, dort dabei zu sein, Einfluss zu nehmen und mehr Fokus auf das Thema Nachhaltigkeit im Beschaffungsprozess zu erreichen.  

Wo liegen Stolpersteine?

Thurn: Im vergangenen Jahr habe ich sehr viel Zeit damit verbracht, mich mit den Finanzabteilungen auseinanderzusetzen und über die Interpretation und Definition von Daten zu sprechen. Eines der Kernelemente der EU-Nachhaltigkeitsrichtlinie, die Wesentlichkeitsanalyse, konnten wir bereits abschließen und eine erste Prüfung vornehmen lassen. 

Wie schafft man es bei der Vielzahl der Einrichtungen diese Strategie auch in die Fläche zu tragen?

Thurn: Neben der Konzernarbeitsgruppe habe ich mir ein Netzwerk aufgebaut – Nachhaltigkeitsbeauftragte an den verschiedenen Standorten, die ggf. auch unabhängig von ihrer offiziellen Rolle Leidenschaft für das Thema mitbringen. Am Ende hängt es aber auch an der Führung vor Ort, wieviel Platz diese dem Thema einräumt. 

Was wünschen Sie sich für den anstehenden Workshop – was sollen die Teilnehmenden mitnehmen? 

Thurn: Kleine Veränderungen können viel bewirken, etwa die Umstellung auf mehr pflanzenbasierte Lebensmittel. Zum anderen wollen wir dazu ermutigen, die Unternehmensleitung für das Thema zu gewinnen und Kapazitäten zum Aufbau einer Strategie zu schaffen. Und schlussendlich gilt es generell darum, aktiv zu werden – egal wie die Rahmenbedingungen sind. Jeder kann einen Beitrag leisten! 

Vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte Tobias-B. Ottmar

Ansprechpartner


Herr Tobias Ottmar trägt eine ovale Brille, einen Bart und ein weißes Hemd.
Tobias-B. Ottmar

Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Verbandskommunikation