Diakonische Unternehmen stehen vor der Aufgabe, Pflegeheime, Werkstätten, Kliniken und Wohnanlagen nachhaltig zu entwickeln – und zwar über Jahrzehnte hinweg. Das ist eine gleich dreifache Herausforderung: konzeptionell, ökologisch und ökonomisch. Ein Überblick mit Beispielen aus der Praxis.

HERAUSFORDERUNG I - Welche Immobilienkonzepte haben Zukunft?

Wo werden diakonische Unternehmen in den kommenden Jahrzehnten ihre Leistungen erbringen? Bei den Menschen zu Hause oder stationär? Mitten im Quartier oder draußen auf der grünen Wiese? An großen zentralen Standorten oder in kleinen dezentralen Einheiten? Von Fragen wie diesen hängt ab, welche Immobilien in der diakonischen Sozialwirtschaft Zukunft haben, ob und wo sich Sanierungen lohnen oder Neubauten Sinn machen. Da sich die fachlichen Konzepte, Angebotsformen und Rahmenbedingungen sozialer Arbeit – im Kontext der föderalen Zuständigkeiten – stetig wandeln, sind langfristige Immobilienstrategien nicht immer einfach.

Altenhilfe: Wie stationär ist die Zukunft?

Beispiel Altenhilfe: Klar ist, Deutschland braucht weit mehr Heimplätze, um den absehbar steigenden Bedarf an stationärer Pflege zu decken. Die Prognosen sind teils drastisch. Manche Immobilienexperten warnen, bis 2040 würden – insbesondere in den großen Städten und den westdeutschen Bundesländern – mehr als 300.000 vollstationäre Pflegeplätze fehlen (Vgl. „Deutschland fehlen hunderttausende Pflegeheimplätze bis 2040“, F.A.Z., 29.11.2021). Andere halten derartige Hochrechnungen für fragwürdig, da diese die heutige Pflegeversorgungsstruktur einfach in die Zukunft fortschreiben, obwohl hier mit tiefgreifenden Veränderungen zu rechnen sei. Ein zentrales Argument gegen viele tausend neue Heime ist der Personalmangel, der sich aller Voraussicht nach in den kommenden Jahrzehnten noch verschärfen wird. Eine Lösung könnte darin liegen, die bereits heute zurückgehende „Heimquote“ noch weiter zu senken, also den Anteil der Älteren, die stationäre Pflege beanspruchen. Tatsächlich zielen viele Angebote schon heute darauf ab, stationäre Pflege immer weiter ans Lebensende zu verschieben oder ganz zu vermeiden. Die Spanne reicht vom Servicewohnen über Pflege-WGs bis zum Mehrgenerationenhaus. Auch KI-gestützte ambulante Pflegekonzepte und altersgerechte (digitale) Assistenzsysteme könnten Älteren zunehmend helfen, länger in den eigenen vier Wänden zu leben. Jüngst kündigte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach mit der „stambulanten Pflege“ eine neue Versorgungsform an, die auf speziell ausgestatteten Wohnungen basiert. Das Ziel: „Man lebt in einer Wohnung, die so versorgt wird, dass man bis zu seinem Lebensende bleiben kann, auch bei höheren Pflegegraden.“ Sollte das im großen Stil gelingen, würde sich die Rolle der vollstationären Einrichtungen weiter wandeln. Sie könnten sich zum Beispiel immer stärker auf Menschen in der letzten Lebensphase oder mit Demenzerkrankungen fokussieren und dabei die Stärke der Sondereinrichtung voll ausspielen, indem sie das knappe Fachpersonal möglichst effizient einsetzen. Auch solche Entwicklungen sind gegebenenfalls „baulich“ zu antizipieren – etwa mit einer demenzgerechten Architektur. Für Martin Hölscher, Leiter Markt & Analyse Sozialimmobilien bei der Aachener Grundvermögen, spricht aus Investorensicht einiges für neue Wohnformen und gegen klassische Heime. So unterlägen etwa Service-Wohnungen einer „signifikant niedrigeren Regulatorik“ und hätten eine größere Nähe zum normalen Mietwohnungsmarkt. Das heißt, sie lassen sich unter Umständen – z. B. bei anhaltendem Personalmangel – flexibler in normale Wohnungen umwandeln als ein Heim.

Nieder-Ramstädter Diakonie - Das Ende der Anstalt
Noch 2005 bot die Nieder-Ramstädter Diakonie (NRD) in Hessen auf ihrem Zentralgelände mehr als 600 stationäre Wohnplätze für Menschen mit unterschiedlichen 
Unterstützungsbedarfen. Zu dieser Zeit wurde entschieden, die „Sonderwelt“ in Nieder-Ramstadt schrittweise aufzulösen und die Wohnangebote zu regionalisieren. 
Seitdem entstanden dank der Vereinbarung mit dem Landeswohlfahrtsverband Hessen (LWV) und Unterstützung der Aktion Mensch an mehr als 20 Standorten Wohnangebote 
mit meist 16 Plätzen. Die neuen Gebäude bieten Ein-Zimmer-Apartments genauso wie Zweier- bis Vierer-WGs. Das ehemalige Zentralgelände wird im Gegenzug seit 2008 zum 
inklusiven Wohnquartier entwickelt. 

Drei Erkenntnisse des Trägers
1) 2005 war der richtige Zeitpunkt, das alte Konzept der „Anstalt“ im Sinne von Teilhabe und Inklusion aufzugeben und mitten in die Quartiere zu gehen. 
2) Wichtig bleibt die Angebotsvielfalt im Sinne des Wunsch- und Wahlrechts. Nicht alle Klientinnen und Klienten wollen mitten im Quartier leben.  
3) Die Vernetzung der Bewohnenden mit der jeweiligen Nachbarschaft ist die Königsdisziplin. Idealerweise gibt es hierfür zumindest in der Anfangsphase ein professionelles Quartiersmanagement.

Eingliederungshilfe: Das Ende der Sonderwelt

Wie sich Versorgungsstrukturen und damit die Immobilienstrategien grundlegend ändern können, zeigt die Eingliederungshilfe. Anfang der 2000er Jahre begann bei vielen diakonischen Trägern der Abschied von den „Sonderwelten“ und geschlossenen „Anstalten“ mit vielen hundert Wohnplätzen. Im Sinne der Teilhabe und Inklusion setzen sie seitdem auf immer kleinere Einrichtungen und Wohnungen, die ins Quartier integriert sind. Beispielhaft für diesen Weg steht die Stiftung Nieder-Ramstädter Diakonie (NRD) in Hessen. Nachdem die NRD ihr Wohnangebot mit vielen kleineren Einrichtungen dezentralisiert hat, wandelt sie ihr ehemaliges Zentralgelände schrittweise in ein Sozialquartier um – für Menschen mit und ohne Behinderung (siehe Kasten S. 6). Als jüngstes Gegenkonzept zur „Anstalt“ früherer Jahrzehnte können derweil die Tiny Houses der Rotenburger Werke in Niedersachsen gelten (siehe Kasten S. 7). Zugleich beantworten diakonische Träger die Frage „zentral oder dezentral“ weiterhin unterschiedlich. Beispielsweise hält die Diakonie Herzogsägmühle in Bayern am Konzept fest, verschiedene Wohn- und Leistungsangebote auf einem Zentralgelände zu vereinen. Aber auch hier wird die „Sonderwelt“ im Sinne der Inklusion überwunden: Heute leben in Herzogsägmühle Menschen mit und ohne Hilfebedarf zusammen. Auch das „Dorf“ hat weiterhin seine Vorteile, etwa die lokale Bündelung von Expertise und Ressourcen. Generell gilt: Die Immobilienstruktur folgt der fachlichen Strategie, nicht umgekehrt.

Krankenhäuser & Kitas: Wie geht es weiter?

Auch in anderen Bereichen sind langfristige Immobilienstrategien herausfordernd. Bei Klinikbetreibern sorgt die Krankenhausreform für Verunsicherung: Welche Art von (Fach-)Krankenhaus wird künftig wo gebraucht und refinanziert? Wie werden vor- und nachgelagerte Versorgungsangebote wie z. B. Rehamaßnahmen räumlich organisiert? Weniger dramatisch, aber ebenfalls schwierig ist die Kitafrage. Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung fehlen aktuell ca. 430.000 Kitaplätze. Will man die Lücke schließen, braucht es nicht nur neues Personal. Auch konzeptionell ist zu klären, ob die Betreuung primär im jeweiligen Wohnquartier, an zentraler Stelle oder etwa am Arbeitsplatz der Eltern organisiert wird – und wie die Räumlichkeiten bereitzustellen sind, ob durch Umnutzung oder Neubau.

Fazit: Wollen diakonische Unternehmen auf das richtige Immobilienkonzept setzen, müssen sie viele Trends und (Unsicherheits-) Faktoren im Auge behalten. Voraus geht immer eine Klärung der fachlichen Strategie. Die Kunst ist, Festlegungen für Gebäudenutzungsdauern von 25 bis 50 Jahren zu treffen – wohlwissend, dass sich die sozialpolitischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen rasch ändern können. 

HERAUSFORDERUNG II - Wie gelingt die grüne Wende?

Immer dringlicher stellt sich indes die Frage nach der ökologischen Nachhaltigkeit. Der Klimawandel erzwingt schnelles Handeln. Das gilt auch in der Diakonie, die – so der Bundesverband – spätestens 2035 klimaneutral arbeiten will. Daraus folgt eine tiefgreifende Transformation, vor allem im Gebäudebereich, der einen großen Teil der Emissionen ausmacht. Durch energetische Sanierungen und klimafreundliche Neubauten könnten in der gesamten Gesundheits- und Sozialwirtschaft schätzungsweise Klimaschadenskosten von rund 10 Milliarden Euro pro Jahr vermieden werden (VdDD-PM „Gesundheits- und Sozialwirtschaft – ein schlafender Riese beim Klimaschutz“, 23.11.2022). Den großen Rahmen für die Transformation setzt der „European Green Deal“ der EU. Konkrete Vorgaben macht die 2024 neu gefasste EU-Gebäuderichtlinie. Demnach sollen ab 2030 alle Neubauten klimaneutral sein. Bereits heute gelten enge Vorgaben, aktuell der Effizienzhaus-55-Standard. Das bedeutet, Neubauten dürfen im Vergleich zu einem Referenz gebäude nur noch 55 Prozent der Energie benötigen. Wie diese neuen, energieeffizienten Gebäude aussehen, zeigt die 2023 eröffnete Grundschule des Diakonissen-Mutterhauses Bleibergquelle in Nordrhein-Westfalen (siehe Kasten S. 8). Das Gebäude hat die aktuellen Vorgaben sogar übererfüllt und erreicht den Effizienzhaus-40-Standard der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Für Bestandsgebäude macht die neue EU-Gebäuderichtlinie den Mitgliedsstaaten nur allgemeine Vorgaben. So ist der durchschnittliche Energieverbrauch von Wohngebäuden (z.B. Pflegeheimen) bis 2035 um mindestens 22 Prozent zu senken. Der Weg dorthin bleibt den EU-Staaten weitgehend selbst überlassen. Eine Sanierungspflicht für Wohngebäude gibt es seitens der EU nicht. Eine konkretere Vorgabe macht die EU-Richtlinie für Nichtwohngebäude (z.B. Kitas): 26 Prozent der energetisch schlechtesten müssen bis 2033 saniert sein Gespannt dürfen diakonische Unternehmen erwarten, wie genau der deutsche Gesetzgeber diese EU-Vorgaben umsetzt und die anstehenden Sanierungen fördert. Denn auch im Bereich der (diakonischen) Sozialimmobilien besteht großer Handlungsbedarf. Grundlegende Modernisierungen wie jüngst in einem Seniorenzentrum der Lafim-Diakonie in Brandenburg stehen eigentlich überall im Land an. Mehr als 50 Prozent der Durchschnittsgebäude in der Sozialwirtschaft sind akut sanierungsbedürftig, so eine Schätzung („Sozialimmobilien: Was kostet Klimaneutralität?“, Prof. Dr. Bernd Halfar und Maximilian Bergdolt, SOZIALWIRTSCHAFT aktuell, Ausgabe 08/2023). 

Foto: Rotenburger Werke

Rotenburger Werke - Kleine Häuser, große Schritte                           
Die Rotenburger Werke verwandeln einen 100 Jahre alten Bauernhof in Niedersachsen in einen Ort zum Wohnen, Leben und Arbeiten – für Menschen mit und ohne Behinderung.Eine besondere Innovation sind hier – wie an weiteren Standorten – die Tiny Houses.  Auf nur 21 m² bieten die kleinen Holzhäuser ein Wohn- und Schlafzimmer sowie Küche und Bad. Die Bewohnenden werden entsprechend ihres individuellen Betreuungsbedarfs von Mitarbeitenden unterstützt. Die Anordnung der Tiny Houses fördert zudem den sozialen Austausch. Die Beheizung erfolgt umweltfreundlich mittels Fernwärme aus einer Biogasanlage.

Drei Erkenntnisse des Trägers 
1) Die Tiny Houses eignen sich für Menschen, für die eine Wohngemeinschaft Stress bedeutet. Der Rückzugsraum erleichtert ihnen das soziale Miteinander. Die eigenen vier Wände können ein wichtiger Schritt der Verselbstständigung sein.
2) Auch für Menschen mit herausforderndem Verhalten und intensivem Betreuungsbedarf können Tiny Houses die geeignete Wohnform sein. 
3) Der begrenzte Platz macht erfinderisch – so spart eine Fußbodenheizung wertvolle Quadratmeter.

Hürden für die Transformation

Für diakonische Sozialunternehmen sind die hohen Kosten und die fehlende Refinanzierung die größte Hürde für die Transformation. Schätzungsweise 135 Milliarden Euro an Investitionen wären nötig, um bis 2035 die Klimaneutralität im Bereich der Sozialimmobilien zu erreichen (ebd.). Hinzu kommt der bürokratische Aufwand. Viele Behörden sind in Bauvorhaben einzubeziehen. Nicht selten benötigen die Sozialplanungs- und Genehmigungsprozesse vier oder fünf Jahre. Außerdem müssen interne und externe Planungskapazitäten bereitstehen, was speziell kleine Einrichtungen schnell überfordert. Schließlich braucht es oft kostspielige Übergangslösungen – etwa, wenn Pflegebedürftige während einer Sanierung andernorts einzuquartieren sind.

Fazit: Technisch ist die grüne Wende bei den Sozialimmobilien machbar, wie auch Beispiele aus der Diakonie zeigen. Dennoch scheinen die Ziele der EU und der Diakonie Deutschland momentan (!) nicht realistisch. Hierzu bräuchte es insbesondere eine geeignete Förderung und Refinanzierung.

Foto: Andreas Buck

Diakonissen-Mutterhaus Bleiberquelle - Die Effizienzhaus-40-Schule
Im Februar 2023 startete die neue Grundschule des Bildungszentrums Bleibergquelle in Velbert in Nordrhein-Westfalen. Das Gebäude ist passend zum pädagogischen Konzept nachhaltig gestaltet. Die Schule erfüllt die Effizienzhausstufe KfW-40 – benötigt also nur 40 Prozent der Primärenergie im Vergleich mit einem Referenzgebäude. Umgesetzt wurden ein Gründach, eine Wärmepumpe, eine Drei- anstelle einer Zweifachverglasung, eine stärkere Dämmung, eine Photovoltaikanlage sowie eine besonders leistungsfähige Steuerung der Haustechnik. Die Baukosten lagen bei 10 Millionen Euro. Die KfW steuerte 1,3 Millionen Euro Förderung bei.

Drei Erkenntnisse des Trägers
1) Der investive Mehraufwand vom zunächst geplanten KfW55-Standard zum KfW40-Standard war deutlich niedriger als erst angenommen. Eine vergleichende Kostenplanung lohnt sich.
2) Durch die leistungsfähigere Steuerung der Haustechnik konnte der Energieverbrauch nochmals deutlich reduziert werden.
3) Ein Gründach dient nicht nur der Umwelt und sieht schön aus, sondern verbessert erheblich den sommerlichen Wärmeschutz.

HERAUSFORDERUNG III - Wie gelingt die (Re-)Finanzierung?

In den vergangenen Jahren sind Kreditzinsen und Baukosten stark gestiegen, was auch in der Diakonie viele Bau- und Sanierungsprojekte gefährdet. Das Problem: Die Förderzusagen und Investitionskostensätze halten mit den Kostensteigerungen vielfach nicht Schritt. Jüngstes Beispiel: Mitte März 2024 stoppte die DGD-Stiftung den Bau eines Pflegeheims in Hessen. Die Baukosten wären mit 15 Millionen Euro rund 50 Prozent höher ausgefallen als geplant, so das Unternehmen. Eine seriöse Refinanzierung sei damit nicht mehr möglich gewesen. Für die Bewohnenden hätten diese Baukosten einen Eigenanteil von mehr als 4.000 Euro pro Monat bedeutet, was sich kaum jemand leisten könne. Ein längerer Bau- und Sanierungsstopp in der Sozialwirtschaft würde neue Belastungen für die Allgemeinheit bedeuten. Der Grund: Ab 2027 greift der europäische Emissionshandel „ETS II“ für den Gebäudesektor. Für jede hier verursachte Tonne CO2 müssen die Betreiber dann einen Preis bezahlen. Ausgebliebene Investitionen führen zu höheren Betriebskosten. Dafür aufkommen müssen letztlich die Sozialkassen, die Kundinnen und Kunden über ihre Eigenanteile oder die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

Ministerien zeigen sich offen

Vor diesem Hintergrund drängen die Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege (BAGFW), die Diakonie Deutschland und auch der VdDD seit Jahren auf eine geeignete Refinanzierung nachhaltiger Sozialimmobilien. Zentrale Forderung sind entsprechende Anpassungen im Sozialrecht. Denkbar wäre z.B.auch, Sanierungen vermehrt über die eingesparten Energie- und CO2- Kosten zu finanzieren (ebd.). Gefahr droht diakonischen Trägern auch über die EU-Taxonomie. Bleibt es bei den Regeln könnten sich Kredite für diejenigen Träger verteuern, denen die ökologische Transformation nicht schnell genug gelingt. Gebäude mit hohem Energieverbrauch und schlechter CO2-Bilanz verlieren aufgrund der neuen EUVorgaben künftig deutlich an Wert oder müssen sogar ganz abgeschrieben werden. Klar ist, der Gesetzgeber kann den Widerspruch zwischen den ökologischen Zielsetzungen und der unzureichenden Refinanzierung auf Dauer nicht ignorieren. Zuletzt zeigten sich u.a. das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Rahmen des vom VdDD mitinitiierten Dialogs „Soziale Dienste und Klimaschutz“ offen dafür, gesetzliche Änderungen zu prüfen. Der Prozess stehe aber noch am Anfang (Vier Schritte zur emissionsfreien Gesundheits- und Sozialwirtschaft – Im Bereich der Sozialimmobilien, Konzeptpapier, 23.11.2022). Aus Sicht des ebenfalls eingebundenen Umweltbundesamts (UBA) müssten die Rahmenbedingungen der Sozialwirtschaft so geändert werden, dass „Klimaschutz ein Selbstläufer“ werde.

Foto: Lafim-Diakonie

Lafim-Diakonie - Energie sparen lohnt sich
Das Evangelische Seniorenzentrum Kurt Bohm in der Brandenburger Kleinstadt Ketzin wurde im Jahr 2000 in Betrieb genommen. Das Zentrum bietet auf einer Gesamtfläche von rund 3.200 m² Nutzfläche insgesamt 42 stationäre Pflegeplätze und 12 Plätze im Service-Wohnen. Im Jahr 2022 wurde die Energieversorgung des Gebäudes grundlegend modernisiert. Durch die Erneuerung der Heizzentrale (Einsatz eines Blockheizkraftwerks Grundlast sowie eines Gasbrennwertkessels Spitzenlast für den Wärmebedarf) und der Installation einer Photovoltaikanlage konnte der jährliche Strombezug von ca. 110.000 kWh auf rund 30.000 kWh und der Gasbedarf von ca. 460.000 kWh auf 370.000 kWh pro Jahr reduziert werden. In Summe ergibt das eine Gesamt-Energieeinsparung von ca. 30 Prozent.

Drei Erkenntnisse des Trägers
1) Auch Teilsanierungen lohnen sich.                                                                            
2) Die Kosten für den Umbau der Heizzentrale und die Errichtung der PV-Anlage beliefen sich auf rund 320.000 Euro und sparen aktuell pro Jahr 36.000 Euro an Energiekosten ein.          
3) Die Investition kann im vorliegenden Fall mit einer rechnerischen Abschreibung gesondert bei den Investitionskosten nach § 82 SGB XI angesetzt werden.

Großer Hebel für den Klimaschutz 

Schnelle Lösungen werden insbesondere durch die verteilten Zuständigkeiten erschwert. Für die gesetzlichen Grundlagen sozialer Arbeit und die relevanten Querschnittsthemen Bauen, Klimaanpassung und Klimaschutz sind allein sechs verschiedene Bundesministerien zuständig. Investitionen in Sozialimmobilien liegen zudem in der Zuständigkeit von Ländern und Kommunen. Das allgemeine Gebot in § 13 Bundes-Klimaschutzgesetz, wonach alle Träger öffentlicher Aufgaben die Ziele des Klimaschutzes in ihren Planungen und Entscheidungen berücksichtigen müssen, hilft ohne weitere Konkretisierung auf der sozial- und leistungsrechtlichen Ebene nicht weiter. Ein Lichtblick: Einzelne Landesregierungen reagierten inzwischen, indem sie neue Förderungen für nachhaltige Sozialimmobilien auflegten (z.B. Brandenburg) oder in Aussicht stellten (z.B. Nordrhein-Westfalen und Hessen). Weiter zu vermitteln ist, dass die Sozialwirtschaft ein großer Hebel für den Klimaschutz sein kann (Vgl VdDD-RS M30/24 vom 26.04.2024). Die große Zahl an Gebäuden und die Organisationstrukturen der Sozialunternehmen würden prinzipiell eine rasche Skalierung von Klimaschutzinvestitionen zulassen. Die Sozialwirtschaft könnte damit zum Vorbild für andere Branchen werden.

Fazit: Auch in der Sozialwirtschaft führen die aktuell hohen Kosten und die Rahmenbedingungen dazu, dass Bau- und Sanierungsvorhaben gestoppt oder verschoben werden. Dass die Klimaschutzvorgaben eine längere Stagnation allerdings nicht zulassen, wird zunehmend auch in der Politik wahrgenommen. Das lässt auf Reformen bei der Refinanzierung hoffen.

VdDD-Magazin "diakonie unternehmen"

Dieser Text stammt aus dem VdDD-Mitgliedermagazin "diakonie unternehmen" 1/24, das VdDD-Mitgliedern kostenfrei zur Verfügung steht. 

Ansprechpartner


Rolf Baumann
Rolf Baumann

Stellvertretender Geschäftsführer, Bereichsleiter Ökonomie

Alexander Wragge
Alexander Wragge

Referent für digitale Kommuni­kation und politische Netzwerk­arbeit