Die BruderhausDiakonie ist seit langem dabei, die Energiebilanz ihrer Gebäude zu verbessern. Aus anfänglichen Problemen mit einem Passivhaus zog man wichtige Lehren. Der Fachliche Vorstand Tobias Staib sieht in der Sanierung die wesentliche Herausforderung – und fordert Reformen bei der Refinanzierung.

Die BruderhausDiakonie verfügt über rund 480 Immobilien, darunter Pflegeheime, Schulen und Werkstätten. Was muss Ihr Gebäudemanagement leisten?   

STAIB: Die größte Herausforderung liegt in der Balance zwischen Bedarfsgerechtigkeit, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit. Die Gebäude müssen den Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer entsprechen. Zugleich ist die Energieeffizienz laufend zu verbessern, was Investitionen und eine stetige technologische Weiterentwicklung erfordert. Die Bedeutung der ökologischen Transformation können Sie daran ablesen, dass wir einen Umweltbeauftragten mit eigener Stabsstelle haben, der eng mit unserer internen Immobilienabteilung zusammenarbeitet.

Inwiefern konnten Sie den Betrieb Ihrer Immobilien schon nachhaltiger ausrichten?       

STAIB: Zunächst ist wichtig, dass uns die Bewahrung der Schöpfung ein großes Anliegen ist und wir das auch in unserem Leitbild verankert haben. Bereits seit 2012 führen wir eine freiwillige Umweltzertifizierung nach dem europäischen Umweltstandard EMAS durch. Mit dem Einsatz von erneuerbaren Energien, der Optimierung unserer Wärmeund Stromeffizienz und der Umsetzung eines Mobilitätskonzepts haben wir unsere CO2-Bilanz seitdem deutlich verbessert. Besonders große Wirkung erzielte die Umstellung auf nachhaltigen Strom. Bei unserem jährlichen Gesamtstromverbrauch von 10.000.000 kWh macht das eine Menge aus. Viele der einzelnen Maßnahmen basieren übrigens auf dem Einsatz und den Ideen unserer Mitarbeitenden. Ein Beispiel gibt es in der Altenhilfe Reutlingen: In Zusammenarbeit mit einem Imker hat das Team des Seniorenzentrums am Markwasen und in Betzingen Bienenkästen aufgestellt. Schulen, Albverein und Ehrenamtliche betreuen die Kästen. So entsteht pädagogische und generationenübergreifende Quartiersarbeit.                                                                   

Welche Maßnahmen hatten bisher Erfolg?           

STAIB:  Schnelle Erfolge erzielten wir mit der Umstellung auf LEDBeleuchtung und der Nutzung von wassersparenden Armaturen. Ebenfalls wichtig war der Aufbau einer Infrastruktur für E-Mobilität. Bis 2025 investieren wir außerdem in Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von mehr als 3.000 kWp. Das entspricht ungefähr dem jährlichen Energiebedarf von 750 Vier-Personen-Haushalten, wenn man hier einen Stromverbrauch von 4.000 kWh pro Jahr ansetzt. Außerdem haben wir seit 2008 zwei Passivhäuser realisiert.

„Wir haben daraus gelernt“

Ein Passivhaus ist hochgedämmt und lässt sehr wenig Wärme entweichen. Es nutzt passiv vorhandene Wärmequellen wie die Sonneneinstrahlung. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

STAIB: Das erste Bauprojekt war eine Seniorenwohnanlage mit zehn Wohnungen. Allerdings haben wir anfangs bestimmte passive Wärmequellen wie die Abwärme technischer Geräte oder von Personen leicht überschätzt. Es gelang zunächst nicht, die Wunschtemperatur der Bewohnenden zu erreichen.Wir hatten im Winter mit einer Raumtemperatur von 21 bis 22 Grad geplant, die Bewohnenden wünschen sich aber 24 Grad. Auch gab es Probleme mit dem Lüftungsverhalten. Durch geöffnete Fenster entwich im Winter Wärme. Wir haben das Gebäude dann 2017 an das Fernwärmenetz angeschlossen und jede Wohnung mit Heizkörpern nachgerüstet. Aus diesen anfänglichen Schwierigkeiten haben wir gelernt. Unser zweites Passivhaus, ein Seniorenzentrum mit 25 Bewohnerzimmern und sieben Seniorenwohnungen, funktioniert auf Basis der umgesetzten Erkenntnisse aus Haus 1 sehr gut. Im Winter bleiben die Fenster geschlossen, die Wärme aus den Räumen wird nahezu vollständig im internen Lüftungssystem zurückgewonnen.

Viele diakonische Unternehmen stehen regelmäßig vor der Entscheidung ‚Sanieren oder neu bauen‘. Wie gehen Sie hier vor?

STAIB: Unsere Entscheidungen basieren auf einer Kosten-Nutzen-Analyse, wobei wir zunehmend Bestandsoptimierungen bevorzugen. Eine wesentliche Herausforderung ist, unsere älteren Gebäude zu sanieren und auf erneuerbare Energien umzustellen, insbesondere bei der Heizenergie. Nachhaltigkeit muss allerdings mit Wirtschaftlichkeit einhergehen. Energetische Sanierungen sind insofern problematisch, als dass hier die Refinanzierung fehlt. Ausgaben für Energieeffizienz müssten erst einmal rechtlich als Investitionskosten anerkannt werden. Unter den derzeitigen Rahmenbedingungen wird es nicht möglich sein, den kompletten Gebäudebestand energetisch zu ertüchtigen.

Was muss sich ändern?

STAIB: Das Sozialgesetzbuch basiert auf dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit. Nachhaltigkeitskriterien werden nicht wesentlich berücksichtigt. Es weicht in dieser Hinsicht maßgeblich von Regelungen im europäischen und im nationalen Vergaberecht ab. Wir brauchen eine Reform. Im Sozialrecht sollten Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt werden. NacTrend zur Ambulantisierunghhaltiges Bauen und Sanieren muss eine verbesserte Investitionsförderung erfahren.

Trend zur Ambulantisierung

Zur Nachhaltigkeit gehören auch zukunftsfeste Leistungskonzepte. Welche Trends sehen Sie hier?

STAIB: Wir beobachten eine zunehmende Nachfrage nach integrierten Wohnformen, die eine enge Verzahnung von Wohnen, Pflege und sozialen Dienstleistungen ermöglichen – eingebettet in die soziale Nachbarschaft eines Quartiers. Auch nehmen wir einen Trend zur Ambulantisierung wahr. Das bedeutet eine stärkere Nachfrage nach Seniorenwohnungen, wobei auch Sonderimmobilien, also klassische Pflegeheime, weiterhin gebraucht werden. Diese werden aber vermutlich künftig gezielter von Personen mit einem höheren Betreuungsbedarf genutzt.

 

 

Zur Person

Foto: Gerlinde Trinkhaus

Tobias Staib ist Fachlicher Vorstand der BruderhausDiakonie in Baden-Württemberg.      


VdDD-Magazin "diakonie unternehmen"

Dieser Text stammt aus dem VdDD-Mitgliedermagazin "diakonie unternehmen" 1/24, das VdDD-Mitgliedern kostenfrei zur Verfügung steht. 

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Alexander Wragge
Alexander Wragge

Referent für digitale Kommuni­kation und politische Netzwerk­arbeit